Hallo zurück, ich hoffe mal, die Antwort kommt nicht zu spät.
Kurz zu meinem Vorredner: Eine Dystopie ist eine meist düstere, pessimistische Geschichte, die in einer Zukunft angesiedelt ist, in der die Menschheit sich zum schlechteren verändert hat oder kurz vor der Vernichtung steht.
Ich persönlich lese diese Art Bücher so gern, weil sie zum einen sehr spannende Geschichten liefern und die besten von ihnen interessante Gegenentwürfe zu unserer heutigen Gesellschaftsordnung entwerfen. Nicht in der Gesellschaftsordnung, die bekämpft werden soll, sondern in der, die daraus entstehen soll. Sollte eine Liebesgeschichte dabei sein, ist diese meist nicht so Disney-Barbie-bonbonrosa erzählt, sondern dem nüchternen, düsteren Grundton angepasst, was dann meist, wie z.B. im Falle von "The Hunger Games" zu einem realistischeren, auf zurückhaltende Weise glücklichen oder zumindest hoffnungsvollen Ende führt.
Zu den Büchern:
Die meiner Meinung nach größte Schwachstelle der Bücher liegt im kaum ausgearbeiteten Entwurf von Panem. Man erfährt viel zu wenig über die Geschichte und den Aufbau des Landes, welche Regeln gelten, was möglich ist und was nicht. Die wenigen Hinweise sind weit verstreut und widersprechen einander. So scheint man dort zwar in Gentechnik und Mikroelektronik sehr weit zu sein, andererseits schleppen die Kameramänner noch riesengroße Metallkästen auf ihren Schultern herum. Über das Kapitol erfährt man kaum mehr, als das der Präsident Coriolanus Snow heißt und die Bewohner sich ganz ihrer Dekadenz hingeben. Kein Hinweise, wie sein Stab aufgebaut ist, wer ihm hilft, sich so lange an der Macht zu halten, womit sich die Kapitolbewohner das viele Geld verdienen, dass sie zu haben scheinen, wie Panem überhaupt entstanden ist, etc.. Die Liste ließe sich noch verlängern. Das führt dazu, dass man sich nur schlecht ein Bild von dieser Welt machen kann und die Autorin dadurch in der Lage ist, nach Belieben neue Regeln einzuführen, worunter meines Erachtens die Glaubwürdigkeit der Geschichte leidet.
Ähnliche Szenarien sind früher schon wesentlich besser entworfen worden. (Z.B. in "Menschenjagd" oder "Todesmarsch" von Stephen King oder auch "Battle Royal", selbst in den "Maze Runner"-Büchern)
Sehr gefallen haben mir die Charaktere, die sie entworfen hat. Mit Katniss als emotionalem Zentrum steht und fällt die Geschichte und dieses Mädchen ist meiner Meinung nach ein toller Charakter, mit dem man sofort mitfiebert und mitleidet. Dasselbe gilt für ihren Gegenpart Peeta und die Nebenrollen wie Gale, Prim, Haymitch, Effie und Cinna. Jede dieser Figuren wurde mit wenigen Sätzen so skizziert, das sie für einen schnell lebendig werden.
Eine weitere Stärke haben die Bücher für mich in der glaubwürdigen Darstellung der Auswirkungen, die all die furchtbaren Ereignisse vor allem auf die Psyche der Überlebenden haben, das Narben zurückbleiben, die niemals ganz verheilen können. Das fand ich teilweise sehr hart und nur schwer auszuhalten. Familiär und beruflich bedingt kenne ich mich ein wenig mit Depressionen und zerstörten Psychen aus und habe vieles in Katniss' und Peetas Geschichte wiedererkannt. Auch wenn die Geschichte in sich große Logiklöcher hat, die Charaktere handeln glaubhaft.
Die dritte Stärke ist für mich die pazifistische und humanistische Botschaft hinter der Geschichte der Reihe. Die positiv besetzten Charaktere (vor allem Peeta und Prim) setzen sich immer wieder für Versöhnung und Entschärfung von Konflikten ein, ohne dabei ihre Überzeugungen aus den Augen zu verlieren. Vor allem Peeta, der sich ganz bewusst gegen die Rache entscheidet. Gale, ein im Kern positiv angelegter Charakter, macht im Laufe der Handlung eine Entwicklung hin zum verbitterten Rachsüchtigen und treibt dadurch einen Keil zwischen Katniss und ihn, bis hin zum späteren endgültigen Bruch. Charaktere, die den Konflikt suchen, werden ausschließlich negativ besetzt.
Fazit: Wenn man bereit ist, den fehlenden Hintergrund und die kaum vorhandene innere Logik zu ignorieren, bekommt man eine spannende, anrührende Geschichte mit hohem Unterhaltungswert und zutiefst humanistischer Botschaft.
Hoffe, ich konnte helfen :)